Gesangsliteratur: Neue Gesangsstücke einstudieren

Immer wieder stelle ich im Gesangsunterricht fest, dass Schüler nicht wissen, wie sie neue Literatur sinnvoll erarbeiten und einstudieren können.

In der Pop-/Rockmusik sind wir es gewohnt Songs nachzusingen, die wir vom Hören her bereits sehr gut kennen. In der Klassik orientiert man sich aber an der überlieferten Notenausgabe, die als Grundgerüst für die eigene Ausführung dient.

Schüler suchen sich heute meistens eine Aufnahme bei Youtube, die mehrmals angehört und dann mitgesungen wird.

Natürlich kann das zu heutigen Zeiten ein einfacher Zugang zu neuen Werken der Gesangsliteratur sein. Aber einerseits wird dadurch die Entstehung einer eigenen, ganz persönlichen Interpretation verhindert und detailliertes Üben und Arbeiten bleibt unmöglich.

Schritt für Schritt zum Ziel
pexels-ricardo-esquivel

Sinnvolle Schritte zum Einstudieren neuer Gesangsliteratur

Ich empfehle meinen Schülern, ganz schematisch vorzugehen und sich an folgende Schritte zu halten:

  1. Die Melodie auf dem Klavier (oder alternativ einem anderen Instrument) spielen 
  2. eventuell das Stück anhören – wenn ja, nach Möglichkeit mehrere Aufnahmen, um sie vergleichen zu können und nicht einfach nur eine Interpretation nachzusingen
  3. Melodie auf z.B. “prrr” (Lippenflattern) oder einfach Textsilben singen. Hohe Passagen dabei oktavieren.
  4. Den Text durchlesen und laut vorlesen
  5. Den Text rhythmisch sprechen – ev. auf Metronom
  6. Technisch schwierige Stellen gezielt üben – ev. mit Körperübungen und speziell zur Stelle passenden Übungen 
  7. Erst, wenn Text, Rhythmus, Melodie/Töne klar sind, alles kombinieren und die Melodie in der richtigen Oktave auf Text singen
  8. Verfeinerungen: Dynamik, Legato, Rubato etc.
  9. Worum geht es? Was will ich aussagen?

Wie helfen diese Schritte beim Einstudieren neuer Gesangsliteratur?

Diese Schritte sorgen für “Entspannung und Klarheit”. Ich nehme bei Schülern oft einen gewissen Druck wahr, wenn sie ein neues Stück einstudieren sollen. Sie fühlen sich überfordert von den vielen Dingen, auf die sie achten sollen. Auf die oben beschriebene Weise kann sich ein Sänger immer genau auf eine Sache konzentrieren und sich zunächst in aller Ruhe damit beschäftigen und auseinandersetzen. Erst, wenn ein Punkt sozusagen abgehakt ist, geht es weiter. Dadurch werden die Parameter einzeln trainiert und können später zusammengebaut werden.

Typische Probleme wie “Ich habe das gerade nicht gut gesungen, weil der Text noch unklar war” werden dadurch vermieden. 

Die Stimme (der Körper an sich) merkt sich die Erfahrungen in den ersten Durchgängen eines neuen Stückes. Singt der Schüler schwierige Passsagen erst einmal völlig verkrampft durch, weil Melodie und Text noch gar nicht richtig klar sind, wird dieses Gefühl in der Stimme gespeichert. Es ist viel schwieriger, das dann sozusagen wieder umzulernen, statt die Passagen ohne Text direkt technisch sauber einzustudieren und erst anschließend mit dem Text zu verbinden.

Von daher sind diese obigen Schritte ein Weg, ein Stück sehr effektiv einzustudieren und die Stimme direkt bestmöglich einzusetzen.

Ausblick

Folgende Themen sind für den Blog in Planung:

  • Brauche ich ein Klavier für den Gesangsunterricht?
  • Muss ich Noten lesen lernen/können, wenn ich Singen lernen möchte?
  • Wie übe ich eine technisch schwierige Stelle in der klassischen Gesangsliteratur?
  • Youtube und die Aufnahmen: Wann und wie Aufnahmen sinnvoll beim Üben verwendet werden können

Nach oben scrollen