Die Zunge beim Singen

Gesangstechnik Blog

Die Zunge ist beim Singen “Fluch und Segen” zugleich. Sie ermöglicht uns über ihre Beweglichkeit eine deutliche Aussprache und ist ein wichtiger Faktor im Bezug auf einen guten Stimmsitz. Bei vielen Mensch ist die Zunge aber nicht flexibel und “gelenkig”, sondern eher “steif und unbeweglich”. Dadurch entstehen viele Schwierigkeiten beim Singen und in diesem Artikel möchte ich mich daher dem Thema “Die Zunge beim Singen” widmen.

Zunge beim Singen - Tiger
Foto: Pexels/kendra-coupland

Sichtbare und unsichtbare Zunge

Die Zunge ist ein Muskel (bzw. eine Gruppe von Muskeln) und besteht sehr stark vereinfacht gesagt aus zwei Teilen: Das, was wir üblicherweise Zunge nennen, ist der vordere obere Teil, den wir im Mund liegen sehen können. Diesen Teil können wir meistens willkürlich steuern und bewegen und teils sehr flexible Bewegungen ausführen.

In Wirklichkeit ist die Zunge aber sehr viel größer, als wir gemeinhin denken – sie ist etwa faustgroß und ein großer Teil der Zunge ist nicht sichtbar und auch weniger beweglich.

Was passiert beim Singen mit der Zunge?

Der vordere Teil der Zunge

Der vordere sichtbare Teil ist sehr beweglich und hier findet hauptsächlich die Artikulation statt. Die Zungenspitze bewegt sich vor allem hinter den oberen und unteren Schneidezähnen hin und her und bildet dort verschiedene Laute. So befindet sich z.B. beim Konsonant “L” die Zungenspitze oben am Zahnwulst hinter den oberen Schneidezähnen. Bei Vokalen wie z.B. “A” liegt die Zungenspitze dagegen hinter den unteren Schneidezähnen.

Der Zungenrücken kann sich wölben – bei einem “i” wölbt er sich z.B. in Richtung Gaumen, bei einem “U” oder “A” liegt die Zunge flach im Mundraum oder ist sogar leicht nach unten gewölbt.

Die Zunge kann sich auch zu den Seiten ausdehnen – manchmal berühren die seitlichen Ränder der Zunge die unteren oder oberen (Backen-)Zähne (z.B. bei “E”), manchmal ist die Zunge eher schmal.

In den verschiedenen Gesangstechniken wird auch die Lage der Zunge teils unterschiedlich einstudiert: Manchmal rollen Sänger die Zungenspitze im Mund leicht nach oben, so dass eine Wölbung in der Zunge entsteht und die Zungenspitze “frei im Raum” schwebt. In anderen Techniken liegt die Zungenspitze meist an Zahnwulst oder Zähnen an.

Der hintere Teil der Zunge

Während der vordere Teil artikuliert, wünschen wir uns, dass der hintere Teil “nicht stört”.

Was ist damit gemeint? Die Zunge liegt gerne wie ein “dicker runder Ball” hinten im Hals. Damit ist sie beim Singen “im Weg”. Beim Singen soll die Zunge sich hinten im Hals leicht nach vorne bewegen und damit Platz schaffen, so dass der Vokaltrakt seine zum Singen optimale Gestalt annehmen kann.

Der hintere Teil der Zunge ist allerdings einerseits recht unbeweglich und andererseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass es Sänger leicht blockiert, wenn sie versuchen, die Bewegung der Zunge bewusst zu beeinflussen. Viel besser ist es, die Zunge “alleine” die richtigen Bewegungen ausführen zu lassen.

Wie soll das gehen?

Zum einen zeigen die unten folgenden Übungen für Flexibilität und Dehnung der Zunge die Bewegungsrichtung: Wir dehnen durch das Zunge herausstrecken etc. den hinteren Teil der Zunge und zeigen ihm, wie die Bewegung im Hals zum “Platz schaffen” aussehen kann.

Zum anderen werden mit Übungen zur Vokaltraktgestaltung wie z.B. Gähnen Räume geschaffen und die Zunge wieder ermutigt, sich aus dem Weg zu bewegen. Mit der Zeit lernt sie so, Platz zu machen, ohne, dass der Sänger konkret an den hinteren Teil der Zunge denken muss.

Lange oder kurze Zunge?

Es gibt sehr unterschiedliche Zungen – sie sind so individuell verschieden wie die Menschen.

Ein Thema, das mir beim Unterrichten oft begegnet, ist die Zungenlänge. Je nach Länge der Zunge gibt es verschiedene Vorteile oder Schwierigkeiten. Natürlich ist auch das wieder individuell, aber hier die Tendenzen, die mir aufgefallen sind:

Längere Zungen brauchen mehr Raum und dementsprechend sind sie hinten im Hals oft “stärker im Weg”. Bei diesen Sängern sagt man auch, “die Stimme sitzt im Hals” – denn es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Zunge und dem sogenannten “Stimmsitz”. Dafür fällt es längeren Zungen leichter, Laute zu bilden, die einen Kontakt zum Gaumen bzw. eine “Wellenform” (Zungenspitze unten, Zungenrücken oben) in der Zunge benötigen. Konkret betrifft das vor allem das “i”. Oft ist bei diesen Sängern “i” ein sogenannter “guter Vokal” und mit den dunklen Vokalen mit flacherer Zunge wie u und o haben sie oft Schwierigkeiten.

Kürzere Zungen verspannen sich dagegen oft sehr, wenn sie versuchen, ein “i” zu bilden. Damit die kürzere Zunge die “Wellenform” bilden kann, muss sie sich weit aus dem Hals nach vorne strecken und dabei entsteht oft ein starker Zug im Hals. Darauf reagiert der Vokaltrakt mit Verspannung, der Hals wird eng, der Kehlkopf steigt nach oben und das Singen wird unangenehm. Während für diese Sänger “i” oft ein gefürchteter Vokal ist, funktionieren die dunklen Vokale mit entspannter Zunge oft besser.

Flexibilität für die Zunge beim Singen

Hier einige Übungen für Flexibilität und Dehnung in der Zunge:

Übung: Zähne putzen

Dazu mit der Zungenspitze innen und außen über die Zähne fahren. Ober- und Unterkiefer und auch hinter den Backenzähnen vorbei.
Das ist eine gute Übung für die allgemeine Beweglichkeit der Zunge.

Übung: Zunge rausstrecken

Die Zunge einfach einmal so lang wie möglich rausstrecken. Dabei gibt es oft eine Dehnung im Halsbereich – gerne wahrnehmen und spüren, wie die Zunge “aus dem Hals nach vorne” geht.

Übung: Zunge rausrollen

Dabei wird die Zungenspitze hinter den unteren Schneidezähnen eingehakt und dann den Zungenrücken nach vorne gewölbt, bis ein Teil der Zunge nach Möglichkeit aus dem Mund herausschaut. Das ist oft schon eine stärkere Dehnung als das reine Herausstrecken der Zunge. Auch hier wieder auf die Dehnung im Halsbereich achten und nicht übertreiben!

Übung: Zunge über den Gaumen reiben

Diese Übung ist eine starke Dehnung im hinteren Zungenbereich und sollte achtsam ausgeführt werden!

Man beginn von hinten zunächst mit der Zungenspitze von hinten nach vorne über den Gaumen zu streichen. Während die Zungenspitze weiter nach vorne geht, legt man nach und nach den Rücken der Zunge an den Gaumen und schiebt die Zunge immer weiter nach vorne. Man versucht quasi, mit der ganzen (sichtbaren und beweglichen) Zunge am Gaumen entlang zu streichen.

Gerade, wenn man versucht, hintere Teile der Zunge zum bzw. über den Gaumen zu schieben, wird der nicht sichtbar im Hals liegende Teil der Zunge gedehnt. Das ist sehr förderlich für die Flexibilität der Zunge, sollte aber nicht übertrieben werden.

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