Mein Weg zur Yogalehrerin

Vor vielen Jahren hätte ich es niemals für möglich gehalten, dass ich einmal Yogalehrerin werden könnte.

Als rational geprägte junge Frau, die in der Schule – neben immer schon Musik – vor allem Mathematik liebte und sich dann nach dem Abitur für ein Informatikstudium entschied, mochte ich zwar immer schon Bewegung – aber die bestand zunächst aus Tanzen und Turnen.

Tai Chi und Qi Gong

Mein erster Gesangslehrer ermutigte mich, Tai Chi-Unterricht zu nehmen, um z.B. aufrechte Körperhaltung und Beckenposition besser verstehen zu können.

Diese Erlebnisse mit Tai Chi und Qi Gong in den folgenden knapp 10 Jahren lösten eine erste große Veränderung in mir aus: Langsam aber sicher wurden aus den etwas ungeschickten Arm- und Körperbewegungen fließendere Abläufe und ich begann, den Fluß der Energie – des Chi – im Körper zu spüren. Zu diesem Zeitpunkt blieben das vereinzelte glückliche Momente, in denen sich im Körper plötzlich alles weich, fließend und “einfach richtig” anfühlt. Aber der erste Schritt war gemacht.

Die ersten Yoga-Versuche

Motiviert von den überall zunehmenden Yogaangeboten besuchte ich einen Yogakurs, um etwas Neues auszuprobieren. Und was muss ich sagen? Es hat mir überhaupt nicht gefallen ;-).

Und da sind wir bereits bei einem sehr wichtigen Thema angekommen: Es gibt viele verschiedene Yogastile, Yogalehrer und Yoga-Level.

Diese 3 Elemente müssen meiner Meinung nach zum Yogaschüler passen. Und da Yoga ein Prozess ist, wird auch das kein statischer Zustand sein. So war es auch bei mir:

Ich traf Yoga in den folgenden Jahren noch an verschiedenen anderen Stellen, aber es gefiel mir nie und ich sagte auf Nachfragen:
“Yoga? Nein, das ist nichts für mich.”

Was war mein Problem mit dem Yoga?

Der eine Kurs war viel zu fortgeschritten:
Die Asanas wurden (für mein damaliges Gefühl) sehr lange gehalten und mir wurden die Arme schwer und die Beine zitterten. An anderen Stellen waren Abläufe dann aber viel zu schnell für mich und ich kam nicht nach. Die Atemübungen überforderten mich und ich wurde nervös, weil ich lange die Luft anhalten oder durch ein Nasenloch atmen sollte. Am Ende der Stunde war ich völlig erledigt und mit meinen Kräften am Ende.

Eine andere Erfahrung in einem Urlaubshotel war das Gegenteil:
Ich habe mich so gelangweilt… Die Übungen waren super einfach, es gab für mich keinen Dehneffekt, keine körperliche Anstrengung, kein sportliches Gefühl – aber auch kein angenehmes Fließen oder Entspannung. Es war einfach langweilig für mich ;-).

Also auch nichts…

Wie kam ich doch noch zum Yoga?

Diese sehr unterschiedlichen Erfahrungen zeigen ja bereits, dass es offensichtlich im Kursangebot nicht “das eine Yoga” gibt.

Und eins muss ich zugeben: Nachdem ich mich von dem sehr anstrengenden Kurs erholt hatte, fühlte ich eine größere Geschmeidigkeit im Körper und eine tiefe Entspannung. Es war also nicht alles schlecht…

Der Auslöser für meine Versöhnung mit dem Yoga war tatsächlich ein Kurs in einem Fitnessstudio. Weil ich den Knöchel verletzt hatte, konnte ich die von mir sonst bevorzugten Kurse wie Dance-Aerobic nicht besuchen. Die Studiobesitzerin empfahl mir einen Yogakurs des Studios und ich dachte, ich kann es mir ja einmal anschauen.

Und dann hat es endlich einmal zu mir gepasst:
Das Tempo war richtig für mich, es war ein bisschen fordernd, aber nicht zu viel. Die Asanas wurden in schönen Flows angeboten und oft sogar (passend) zu Musik praktiziert, was mir als leidenschaftlicher Tänzerin sehr gut gefallen hat. Es war ein bisschen getanztes Yoga.

Und diesen Kurs begann ich dann regelmäßig zu besuchen.

Bunter Weg zur Yogalehrerin
Foto: pexels-johannes-plenio

Wie ging mein Yogaweg weiter?

Das Leben besteht aus Veränderungen: Das Fitnessstudio musste schließen und kurz darauf brach Corona aus.

Was das Yoga angeht, brachte mich das aber tatsächlich wieder einen großen Schritt weiter. Da es keine Präsenz-Kurse mehr gab, abonnierte ich ein Online-Studio, in dem Videos und Live-Klassen von vielen verschiedenen Lehrern angeboten wurden und werden.

Dadurch hatte ich die Möglichkeit, unterschiedliche Yogastile auf verschiedenen Erfahrungs-Levels auszuprobieren. Und ich merkte, wie unterschiedlich die Lehrer unterrichten, welche Schwerpunkte sie legen usw.

In diesen Online-Kursen begegnete ich Elementen, die ich aus früheren Kursen nicht oder wenig kannte. So gab es oft

  • Meditationen
  • Mantra-Singen
  • Atemübungen in großer Variation
  • interessante Stundenmottos, auf die Ablauf und Asanas ausgerichtet sind

Hier empfand ich zum ersten Mal, dass Yoga sehr viel mehr ist als Gymnastik.
Und damit war meine Yogabegeisterung endgültig entfacht und ich begann ein regelmäßiges morgendliches Yogatraining.

Ist Online-Yoga wirklich sinnvoll?

Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass Online-Yoga natürlich seine “Tücken” hat: Beim Yoga gibt es eine große Verletzungsgefahr, wenn Übungen nicht richtig ausgeführt werden. Außerdem ist der Trainingseffekt nur bei korrektem Üben sinnvoll gegeben.
Aber aufgrund meiner langjährigen Erfahrung mit tänzerischen Sportarten und einer sehr feinen Körperwahrnehmung durch mein Gesangsstudium ist für mich persönlich Online-Yoga aber eine sehr gute Alternative. Ich arbeite mit einem Spiegel und unterbreche auch laufende Videos ab und an, um meine Ausrichtung (äußerlich mit Spiegel und innerlich über die Wahrnehmung) zu korrigieren.

Der erste Schritt zur Yogalehrerin

Nach kurzer Zeit begann ich einen ungefähr täglichen Wechsel:
Einen Tag Yoga mit Video (Inspiration und neues Lernen) und dann einen Tag Yoga alleine ohne Video (Gelerntes kreativ anwenden und viel feiner spüren, was mein Körper jetzt gerade braucht..

Damit war der erste Schritt in Richtung Yogalehrerin bereits gemacht: Ich begann mich selbst zu unterrichten. Über die vielen verschiedenen Lehrer und Stile merkte ich bald, was ich z.B. tun konnte, wenn ich eher müde war oder völlig verspannt oder voller Energie und Bewegungsdrang. An einem Tag war mir mehr nach viel Meditation und Mantrasingen, an einem anderen nach zackigen Flows, bei denen man richtig ins Schwitzen kommt. Und ab und an hatte ich richtig Lust auf schwierigere Asanas wie Kopfstand, Handstand, Spagat, Krähe, die vielleicht noch nicht immer vollständig funktionieren, aber eine wunderschöne Herausforderung sind. (Sehr achtsam und vorsichtig mit Hilfsmitteln geübt und ausgeführt! Das kann man nicht oft genug betonen! Und ohne Turnerfahrung manches bitte nicht alleine ausprobieren, sondern in einem Kurs mit Hilfestellung! 😉 )

Idee: Yoga im Gesangsunterricht

Als Gesangslehrerin bin ich ja keine “von mir getrennte Person”. Die Erfahrungen aus allen Lebensbereichen fließen natürlich in den den Unterricht mit ein und während sich meine Yogapraxis vertiefte wuchs in mir der Wunsch, dieses Wissen an meine Gesangsschüler weiterzugeben. Yoga und Gesang hat so viele sinnvolle Überschneidungen, dass ich die Themen einfach nicht mehr getrennt behandeln mochte.

Im ersten Schritt kreierte ich den Kurs “Wir singen”, in dem ganz gezielt auch zum Gesang passende Entspannungs- und Körperübungen angeboten werden.

Ausbildung zur Yogalehrerin

Ich bin aber einfach keine Freundin von “Ich weiß ein bisschen, aber nicht so richtig und erkläre dann so ähnlich”. 😉

Wenn ich etwas gerne mache und mich damit viel beschäftige, dann wünsche ich mir eine stabile Grundlage an Wissen und Ausbildung. Und daher war es für mich unausweichlich, eine Yogalehrerausbildung zu absolvieren.

Vielleicht kann man sich vorstellen, wie mein Umfeld reagierte: “Was??! Jetzt willst du noch eine Ausbildung machen?” 😉

Aber ja, ich wollte, es fühlte sich richtig an und ich begann mit der Suche nach Möglichkeiten. Ich entschied mich für eine Ausbildung beim Way-Institut, die viel Wert auf eine genaue Ausrichtung der Asanas und eine gesunde, verletzungsarme Ausführung von Yoga legen. Hier lernte ich, wie man Yogakurse sogar anleiten kann, indem man verbal durch die Übungen führt – ohne etwas vorzumachen.

Persönlich habe ich mich in meinen Kursen inzwischen für eine Kombination entschieden: Ich zeige Asanas, aber ich erkläre auch viel und vor allem gehe ich viel herum und assistiere. Das finde ich persönlich gerade für Anfänger unbedingt notwendig und wichtig und das ist dann auch ein Unterscheidungsmerkmal zu den vielen Online-Kursen (die wie gesagt für mich wunderbar sind, aber für viele Menschen meiner Meinung nach weniger geeignet).

Yoga neu entdeckt

Ich hatte bereits angedeutet, dass Yoga viel mehr ist als “Turnübungen” – wie es vor allem im Westen und in Fitnessstudios oft gehandhabt wird. Hinter Yoga steht eine tiefgründige Philosophie und die Asanas sind nur ein kleiner Teil von “Yoga”.

Für mich war es eine überwältigende Erfahrung, das Yogasutra nach Patañjali zu lesen. In meiner Coaching-Ausbildung habe ich so viele interessante und wichtige Dinge über den Geist des Menschen gelernt, aber nach Lektüre des Yogasutra kam es mir so vor, als würde der komplette Inhalt der Coaching-Ausbildung in diesem Werk stecken und dann noch so viel mehr.

Das war natürlich eine sehr subjektive Empfindung in genau diesem Moment, aber für mich war es klar, dass ich nach der Beschäftigung mit diesen Sutren einen neuen Weg eingeschlagen habe, von dem ich nicht mehr abweichen möchte und ich bin sehr neugierig, wohin er mich noch führen wird.

In der Verbindung dieser philosophischen Denk- und Lebensweisen mit den vielleicht greifbareren Elementen des Yoga wie Atemübungen und Asanas entsteht das YOGA, das dann so gar nichts mehr mit Gymnastik zu tun hat ;-).

Vertiefung im Yoga-Ashram

Nachdem ich viel Theorie gelernt und gelesen hatte, wollte ich auch spirituell und praktisch weiter in die Tiefe gehen. Dafür entschied ich mich zu Aufenthalten im Yoga-Ashram von YogaVidya in Bad Meinberg.

Dort gibt es die Möglichkeit, auch für kürzere Zeiträume am Ashram-Leben teilzunehmen und Yoga in seiner ganzen Tradition zu erfahren. Täglich mehrfach gibt es Yoga-Asanas, Pranayama, jede Menge Meditation, viel Mantrasingen (für mich ein sehr berührendes und tief gehendes Erlebnis) und Satsang (Gottesdienst).

Arbeit als Yogalehrerin

Ursprünglich wollte ich also einfach mehr über Yoga erfahren, um selbst besser zu praktizieren und um es besser in den Gesangsunterricht einfließen lassen zu können. In der Ausbildung durfte ich dann allerdings erleben, wie viel Freude es mir bereitet Yoga zu unterrichten. Durch die langjährige Erfahrung als Gesangslehrerin und eigenes Yoga-Praktizieren fühlte sich das Vermitteln von Yoga sofort ganz selbstverständlich und natürlich an. Und mir war schnell klar, dass es mir nicht ausreichen würde, das nur im gesanglichen Kontext zu unterrichten.

Deshalb begann ich also auch einige reine Yogakurse anzubieten und bin ganz erfüllt davon, wieviel Freude es mir bereitet, Menschen zu mehr Flexibilität und Ruhe in Körper und Geist zu verhelfen :-).

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